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RASSENSTANDARD ٭
ERNÄHRUNG ٭
ERKRANKUNGEN ٭ ERZIEHUNG DES WELPEN
Ernährung von
heranwachsenden Hunden grosser Rassen
Die Ernährung von
Hunden großer Rassen ist den vergangenen Jahrzehnten zur eigentlichen
Wissenschaft geworden. Einerseits sind die Ansprüche des Patienten gestiegen,
weil die meisten Rassen größer geworden sind und stärker durch Sport und
Berufseinsatz gefordert werden. Die Ernährung ist somit mit Spitzensportlern
vergleichbar. Auf der anderen Seite hat die Futtermittelindustrie für jeden
Zweck, für jeden Lebensabschnitt und für jede Gewichtsklasse das entsprechende
optimale Futter bereitgestellt. Dem Kunden wird damit die Auswahl nicht
unbedingt leichter gemacht. Zudem haben für eine Minimierung von
wachstumsbedingten Störungen bei Hunden großer Rassen neben der Futterqualität
andere Faktoren wie Futtermenge und allgemeine Aktivität entscheidenden
Einfluss. Im folgenden sollen die für große Hunderassen wichtigen Aspekte der
Fütterung und der Erhaltung eines gesunden Bewegungsapparates erläutert werden.
Grosse Hunderassen wachsen anders als kleine Hunderassen. So sind die
Riesenrassen erst mit 14 bis 18 Monaten erwachsen, währenddem die kleinen Rassen
schon mit 12 Monaten erwachsen sind. Es besteht deswegen keine Notwendigkeit,
die Riesenrassen so schnell als möglich wachsen zu lassen. Die genetisch
vorgegebene Größe wird halt einfach etwas später erreicht Die physiologische
Grössenzunahme ist vom 3. bis 6. Lebensmonat am imposantesten. Diese Phase
stellt deshalb die größten Herausforderungen an den Körper, aber auch an die
korrekte Haltung und Fütterung. Das Muttertier würde eigentlich instinktiv dafür
sorgen, dass der Welpe die richtig zusammengestellte und richtig dosierte Ration
bekommt. Da die Welpen jedoch schon früh entwöhnt werden, übernehmen Züchter
oder Besitzer die Verantwortung für Futter und Bewegung. Die heute erhältlichen
kommerziellen Futter sind alle korrekt zusammengestellt. Es braucht keine
Zusätze. Bei schnell wachsenden Hunden großer Rassen ist ein spezielles
Welpenfutter empfehlenswert. Die Futtermenge ist immer abhängig vom Futter, der
Verdauung und der Bewegung des Welpen. Die Mengenangaben auf den Futtersäcken
helfen bei der Dosierung. Im Zweifelsfall soll der Hund eher etwas mager
gehalten werden, damit das Wachstum nicht zu schnell verläuft. Als Richtlinie
ist die gute Tastbarkeit der Rippen anzusehen. Sind diese sichtbar, ist der
Welpe eher zu mager, sind sie nicht mehr tastbar, ist der Welpe zu dick.
Neue Studien zeigen, dass in der Phase des raschen Wachstums zwischen dem 3. und
6. Lebensmonat die Ursachen für viele wachstumsbedingte Skeletterkrankungen zu
suchen sind. Die Ausprägung dieser Entgleisungen nehmen wir dann etwa 2 bis 4
Monate später wahr. Knorpeldefekte, ungleiches Knochenwachstum, ungenügende
Aufnahme von Vitaminen oder Überfluss an Futterinhaltsstoffen zeigen sich dann
als Lahmheit, verkrümmte Vorderbeine, Gelenkseinschränkungen oder wackeligen
Gang. Die beiden bedeutendsten Fütterungsfehler im Wachstum sind Überfütterung
und zu hohe Calcium-Gaben. Die Überfütterung führt zu einer rasanten
Skelettentwicklung. Die Muskulatur und das Kreislaufsystem sind dann nur noch
teilweise in der Lage, den Bedürfnissen des Tieres nach Bewegung und Belastung
nach zu kommen. Zudem kann die überaus rasche Grössenzunahme zu
Knochenverkrümmungen und Gelenkstufen führen, wenn wie am Unterarm die beiden
Knochen Elle und Speiche sich nicht gleich schnell entwickeln können. Hohe
Calcium-Zufuhren wurden wissenschaftlich genau untersucht. Bewiesen ist, dass
überdosiertes Calcium zu Knochen- und Knorpelumbaustörungen und entsprechender
Verdickung dieser Gewebe führt. Damit wird die Ernährung dieser Schichten im
Gelenk kritisch, es kommt zum Gewebeuntergang und zur Loslösung von
Knorpelstücken. Die Erkrankung wird Osteochondrose genannt. Die lange
verbreiteten Meinung, dass hohe Eiweissgaben schädlich seinen, wurde widerlegt.
Zu tiefe Eiweissgaben reduzieren die Infektionsabwehr.
Das Futter alleine kann nur in seltenen Fällen (Calcium-Mangel und Vitamin A
Überfluss) eine Erkrankung des Skelettes auslösen. Es wirkt viel eher im
Konzert mit genetischer Prädisposition und Haltungsumständen. Insofern kann eine
korrekte Fütterung keine Garantie für eine beschwerdefreie Aufzucht geben,
sondern hilft bei der Risikoverminderung.
Die Ellbogendysplasie (ED) fasst drei Entstehungsmechanismen zusammen. Durch zu
schnelles Wachstum von Elle und Speiche kann es zu Stufen im Ellbogengelenk
kommen (fragmentierter Processus coronoideus oder losgelöster Processus
anconaeus). Die Calcium-Ueberfütterung kann den Knorpel schädigen (Osteochondrose).
Die frühzeitige Erkennung mittels Röntgenbild und die entsprechende konservative
(Fütterungsanpassung, medikamentelle Knorpelstützung) oder operative Therapie,
in Kombination mit Physiotherapie, ist entscheidend für die Lebensdauer des
Hundes. Alle ED-Formen führen unbehandelt zur Arthrose. Hunden mit schwerer
Ellbogenarthrose ist kaum mehr zu einem normalen Gang zu verhelfen.
Als weitere mögliche Ursache einer Ellbogendysplasie muss sicher das Hinauf- und
Hinunterrennen von Treppen in Betracht gezogen werden. Es ist eine große
Belastung und erwiesenermaßen schlecht für die jungen Gelenke, im Besonderen für
die Ellbogen, wenn ein Welpe häufig Treppen runterrennt. Von Vorteil sind
Treppenabsperrungen und Tragen des Welpen. Wird der Junghund zu groß und zu
schwer zum Tragen, sollte er unbedingt die Treppen hinauf- und heruntergeführt
werden. Somit verringert sich die abrupte Belastung des noch sehr weichen,
jugendlichen Knorpels und Knochens, was zur Erhaltung der optimalen
Gelenkstrukturen beiträgt. Auch Wanderungen sind genauso kritisch zu betrachten
und aus der Sicht der Tierärztin/des Tierarztes nicht zu befürworten. Velofahren
und Joggen sollte unterlassen werden, bis der Welpe circa 1-jährig ist, da auch
dies zur Überbelastung des Bewegungsapparates führt. Das Herumtollen mit
Spielkameraden sollte auf keinen Fall unterbunden werden, da auf diese Weise das
normale Sozialverhalten erlernt wird und sich der Welpe zurückziehen oder
hinlegen kann, wenn es ihm zu bunt wird.
Hüftgelenkdysplasie (HD) ist zu einem grossen Teil eine genetisch verursachte
Erkrankung. Die knappe Fütterung betroffener Tiere im Wachstum kann die weitere
negative Ausprägung bei vorhandener Veranlagung zu HD verhindern. Erwachsene
Tiere profitieren vom tiefen Gewicht, weil der Knorpel weniger rasch abgebaut
wird. Mässige und regelmässige Bewegung ergänzt das Vorbeugeprogramm. Besonders
wichtig ist es, ein Überangebot von Kalzium (Futterkalk) im Futter zu vermeiden
und auf ein ausgeglichenes Kalzium/Phosphor-Verhältnis (1:1) zu achten.
Glukosaminsulfat kann bei einigen Hunden Schmerzen lindern (aber Arthrose
selbstverständlich nicht heilen), andere Hunde sprechen auf diesen Wirkstoff gar
nicht an. Nebenwirkungen sind bei Glukosaminsulfat bisher keine bekannt.
Schlussendlich vermutet man, dass Calcium und Ueberfütterung den
Knocheninnendruck erhöht. Die Tiere haben dann Druckschmerzen auf den langen
Röhrenknochen und laufen während 4 – 6 Wochen lahm. Typisch ist der Wechsel der
Erkrankung auf ein anderes Bein im Verlaufe des Wachstums. Das Röntgenbild
unterscheidet diese sogenannte Panosteitis von anderen Wachstumsproblemen, vor
allem ED. Als Therapie ist lediglich Ruhe, Fütterungsreduktion oder ein
Schmerzmittel angezeigt. Die Panosteitis verschwindet nämlich ohne Folgeschäden
innerhalb weniger Wochen. In seltenen Fällen können Hunde bis zum driftem
Lebensjahr von der Panosteitis betroffen werden.
Empfehlungen für die Ernährung und Bewegung des heranwachsenden Hundes:
Zusammenfassend soll das Futter heranwachsender Hunde von grossen Rassen in der
Menge knapp gehalten sein. Nach dem Entwöhnen füttert man die Hunde am besten
mit einem speziellen Welpenfutter für grosse Hunde oder Riesenrassen. Die
Tagesration wird wegen der noch knappen Aufnahmefähigkeit des Magens auf drei
Mahlzeiten aufgeteilt, ab dem 6. Lebensmonat auf zwei. Nach 6 bis 9 Monaten kann
auf Erhaltungsfutter von erwachsenen Hunden umgestiegen werden. Auf Zusätze
jeglicher Art muss verzichtet werden. Der Anteil von Calcium soll ca. 1 % (in
Bezug auf die Trockensubstanz des Futters) betragen, derjenigen des Eiweisses
ca. 20 %. Das Mischen des Futters mit Resten aus dem Haushalt ist in der
Wachstumsphase gerade für grosse Hunderassen in der Phase der dramatischsten
Entwicklungsphase zwischen dem 3. und 8. Lebensmonat nicht zu empfehlen. Bei
erwachsenen Hunden, wo keine ernährungsbedingten Skeletterkrankungen mehr zu
erwarten sind, kann gefahrlos ein Drittel der Tagesration aus der eigenen Küche
bereit gestellt werden.
Für die Bewegung
gelten folgende Empfehlungen:
Welpen (bis 4 Monate ):
- Kontakt mit
anderen Hunden soll regelmässig stattfinden (sofern geimpft)
- Bevorzugt mit Hunden gleicher Grösse und gleichen Alters (Ermüdung) spielen
lassen
- Spielzeit begrenzen auf ca. 15 Minuten
- Spaziergänge mit dem Hund sind besser als wildes Toben. Allerdings muss
aufgepasst werden, da sich Hunde leicht überschätzen, denn sie laufen dem
Alpha-Tier (Besitzer) bis zur völligen Erschöpfung hinterher
- An der Leine soll maximal 15 Minuten gegangen werden
- Springen (v.a. abwärts) ist verboten
Junghunde (4 bis ca. 8 Monate):
- Spaziergänge
können langsam gesteigert werden bis maximal 1 Stunde
- Wildes Toben mit anderen Hunden soll nicht gefördert werden, da durch die
unregelmässige und unkontrollierte Bewegung Schäden am Muskel- und Gelenkapparat
entstehen können
- Spielen ist mit gleich grossen Hunde zu bevorzugen
- Zügiges Laufen bis zu 30 Minuten Dauer ist erlaubt
- Schwimmen ist zu unterstützen (fördert den Muskelaufbau und schont die
Gelenke)
Allgemein:
- Das Training soll
stetig und langsam gesteigert werden
- Es sollte auf griffige Bodenbeläge geachtet werden (Springen und Spielen auf
rutschigem Untergrund ist gefährlich)
- Bis 18 Monate ist darauf zu achten, dass das Gewicht an der unteren Grenze
bleibt. Dabei ist zu bemerken, dass eine Gewichtsreduktion zu 90% über
reduziertes Futter und nur zu 10 % über gesteigerte Aktivität stattfindet.
- Auf eine ausgewogene Ernährung ist zu achten (keine Calcium-Zusätze)
- Joggen und Fahrradfahren sollte man erst mit ausgewachsenen Hunden, zur
Angewöhnung kann man kurze Uebeungsstrecken auch mit jüngeren Hunden angehen
- Grundsätzlich sollen Spazierrouten gewählt werden, die abgebrochen werden
können (kleine Runden)
- Auf Müdigkeitserscheinungen wie Absitzen oder Hinterhertrotten achten
- Mehrmalige kurze Spaziergänge sind besser als wenige lange
- Niemals den Hund zum Weiterspielen motivieren, wenn der Hund von selbst mit
Spielen aufgehört hat (Kinder !)
- Gleichmässige Bewegung ist besser als abrupte
Daniel Koch, Dr.
med. vet. ECVS
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